Wissen, wann Schluss ist: Die Gothic-Legende CHRISTIAN DEATH war live in Berlin - und legendär schlecht

Christian Death in Berlin, 19. Oktober 2016
Christian Death in Berlin, 19. Oktober 2016

Spielt einer von Euch mit dem Gedanken, sich die berühmten Goth-Urgesteine CHRISTIAN DEATH aus den USA einmal live anzusehen? Lasst es bloß bleiben! Das Konzert am 19. Oktober 2016 in Berlin war jedenfalls unterirdisch. Fans der Goth-Rocker sollten jetzt besser nicht weiterlesen, denn es wird schlimm.

 

Zwischen legendär und legendär schlecht liegt nur ein kleiner Schritt, und Christian Death sind ihn gegangen. Au weia.

 

Wie gern hätte ich jetzt geschrieben: Die US-Goth-Rocker Christian Death, gegründet irgendwann um das Jahr 1979 herum, sind auch im etwa 37. Jahr ihrer turbulenten Bandgeschichte noch grandios anzusehen und anzuhören, ihre freche, unerschrockene Religions- und Gesellschaftskritik zündet genau wie früher, ihr derber, gewollt schiefer und düsterer Sound zieht den faszinierten Zuhörer immer noch in den Bann, und dann erst diese ausgefeilte Symbolik, ein durchgestrichenes Kreuz als Bandlogo! Wie subversiv, wie unverschämt, wie brandaktuell, ja wie gruftig ist das denn!?!

 

Doch ach! So war es leider ganz und gar nicht.

 

Fremdschämen mit Christian Death

Denn tatsächlich war der Auftritt des Trios im (übrigens sehr coolen) Binuu-Club in Berlin-Kreuzberg am Mittwoch vergangener Woche eine Katastrophe und bestenfalls noch geeignet zum Fremdschämen. Tatsächlich müssen wir zugeben, dass es so schlimm und zugleich so langweilig war, dass wir früher gegangen sind - trotz netter Location, leckeren Bieres, coolen Publikums und früher Stunde. Was bei Konzerten, die auch nicht gerade preiswert sind (in diesem Fall an der Abendkasse 23 Euro) sehr, sehr selten - eigentlich nie - vorkommt.

 

Bloß weg hier!

Doch wir waren nicht die einzigen Enttäuschten, denn während im rund 350 oder 400 Leute fassenden Binuu-Club bei der Vorband WHISPERS IN THE SHADOW wohl gute 200 vor der Bühne standen, lichteten sich beim Top-Act Christian Death flugs die Reihen. So mancher hätte sich vielleicht ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich bin wegen der Vorband da" gewünscht.

 

"Ich bin wegen der Vorband da"

Der Support Whispers In The Shadow war musikalisch zwar auch keine Offenbarung, doch die Band aus Österreich gefiel mit unterschiedlichen, sich steigernden Dark-Synth-Rock-Wave-Songs voller Energie und großer Geste. Passend dazu bewies Sänger Ashley Dayour, dass er mit seinem Wayne-Hussey-Gedächtnis-Hut (hier zwei Vergleichs-Videos, einmal ein altes von The Mission, dann ein aktuelles von Whispers In The Shadow) nicht nur optisch richtig was hermacht, sondern auch die Posing-Schule für Grufti-Sänger mit Bravour abgeschlossen hat. Die Stimme war zeitweise etwas dünn vielleicht, dafür waren Show, Musik, Sound und Stimmung gut.

 

Der verflixte zweite Beamer

Das sollte sich ändern. Die Umbauarbeiten für Christian Death zogen sich hin, der rechte von zwei an den äußeren Bühnenrändern platzieren Projektoren (heute: Beamer) streikte. Der Rowdy wirkte leicht gestresst, frickelte und friemelte tapfer sogar noch mitten im Auftritt weiter. Allerdings: Die Mühe hätte er sich sparen können, denn da die großen, weißen Tücher direkt hinter der Band und kaum über deren Kopfhöhe hingen, konnte man eh nichts von den Bildern sehen.

 

Das hätte echter Punk werden können. Hätte...

Und damit es klar ist: Selbstverständlich ist es in Ordnung, keine teure Bühnentechnik, keinen supermodernen Beamer oder gar eine große, digital bespielbare Leinwand zu haben. Warum auch? Solche selbst zusammengenähten Tücher haben ja gerade was schön Punkiges, wirken rau, echt und ungekünzelt, wie es sich für Death-Rock-Urgesteine gehört. Doch warum man die Teile dann nicht etwas höher und weniger knüddelig aufhängt, damit man wenigstens etwas sehen kann, blieb den Gruftboten schleierhaft. Das war nicht punkig oder cool oder authentisch, sondern lieblos und unprofessionell.

 

Dunkle Kapuzen! Böses Kreuz! Himmel...

Auch der megadramatische Auftakt zu Show mit reichlich Nebel, betont spookiger Intro-Musik und einem wie eine Anti-Monstranz auf die Bühne getragenen Christian-Death-Kreuz am Stiel war eher Kindertheater als cool. Und diese dunklen Kapuzen! Herrje.

 

Irgendwie waren der Auftakt und auch die folgende Show wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit, als umgedrehte oder gar von zwei Knochen gekreuzte Kreuze (wer es nicht weiß: So sieht das Band-Logo aus) noch das Zeug zum gesellschaftskritischen Aufreger hatten. Heute wirkt das alles wie aus der Zeit gefallen - und leider alles andere als provokant oder beeindruckend, sondern unfreiwillig komisch.

 

Jaulen, bis die Leute gehen

Und die Musik machte es nicht besser. Lobenswert war der namenlose, fleißige Schlagzeuger im Hintergrund, der seine Arbeit so gut machte, wie es die Umstände erlaubten. Auch Sänger, Frontmann und Multi-Instrumentalist Valor Kand sowie Bassistin und Sängerin Maitri beherrschten ihre Instrumente. Nicht so ihre Stimmen. Während Kand gelangweilt bis gekünzelt düster vor sich hin maulte und brummte, zeigte Mit-Vokalistin Maitri, dass sie zwar schon eeewig bei der Band ist und ein kräftiges Organ besitzt. Doch von gutem Gesang war sie meilenweit entfernt. Da konnte auch ihr ziemlich amerikanisch anmutender Drang zum textilen Weniger-ist-mehr nichts retten.

 

Laaaaaangweilig!

Dazu klang exakt jedes Lied gleich, und zwar gleich schlecht. Keine Entwicklung, kein einziger Tempowechsel, keine Tiefe, weder im Sound noch im Vortrag noch in den Texten, einfach gar nichts.

Nun ja, die aktuelle Platte "The Root of all Evilution", die 2015 herauskam, veranlasste schon den laut.de-Kritiker Ulf Kobanke zu folgenden herrlichen wie aussagekräftigen Sätzen: "Noch nie habe ich eine misslungenere Platte einer weltweit echten Goth-Legende gehört. 'The Root Of All Evilution' geht als das mit Abstand schlechteste Album in die mit Tiefpunkten nicht gerade geizende Christian Death-Diskografie ein." (Die vollständige Plattenkritik von laut.de gibt's hier)

 

Und tschüss!

Tja. Auch live war das nix. Unterm Strich waren Christian Death bei ihrem Berliner Gig weder gut anzusehen noch gut anzuhören. Also tranken die Gruftboten schnell ihr Bier leer - bevor diese schlimme Stimme es noch in der Flasche schal werden lässt - und zogen enttäuscht von dannen.

 

Manchmal muss man wissen, wann Schluss ist. Diese Erkenntnis haben Christian Death wohl noch vor sich. Hier scheint mehr kaputt zu sein als nur ein altersschwacher Beamer.

 

 

Und das Fazit?

Das Resümee ist dieses Mal ein wirklich ernst gemeinter Rat. Oder vielmehr ein frommer Wunsch: Bitte, liebe Leute von Christian Death: Löst Euch auf! Last Christian Death sterben. Schnell! Und für immer!

Und dann geht in Euch, denkt nach, kommt in der Jetzt-Zeit an. Hört Musik, geht zu Konzerten, macht eine Mal-Therapie oder Urlaub oder auch was ganz anderes. Vielleicht weckt irgendetwas ja die Kreativität neu und ihr feiert in ein paar Jahren mit einem ganz anderen, coolen Projekt ein furioses Comeback? Nur bitte, bitte, macht nicht so weiter wie jetzt! Das ist würdelos und sehr, sehr traurig.