Von Gothamella
Hier das Rezept für Gruftis im Glück: Man nehme fünf sehr unterschiedliche Bands aus fünf sehr verschiedenen Ländern, stelle sie nacheinander in einem hübsch-coolen Club auf die Bühne, und alle sind happy. So geschehen beim Dark Spring-Festival 2017 am vergangenen Samstag im Bi Nuu in Berlin, wo and also the trees (Großbritannien), Golden Apes (Deutschland), Ascetic: (Australien), Horror Vacui (Italien) und Alliteration Kit (Russland) das verschwärzte Publikum berauschten. Hier die Gruftboten-Rückschau auf eine echte, kleine Perle im Meer der Gothic-Festivals.
Früher war alles toll? Heute ist alles besser!
Dass die in der Szene tief verehrten Post-Punk-Helden and also the trees mit ihrem so besonderen, verträumten Mandolinen-Gitarren-Indie-Sound und dem über die Maßen präsenten Sänger Simon Huw Jones wohl die meisten Gäste zum Dark Spring-Festival locken würden, war eigentlich klar. Die spontane und nicht-repräsentative Gruftboten-Umfrage unter den Festivalgästen im Club Bi Nuu bestätigte dann am Samstagabend auch genau dieses Bild.
Doch wer nun glaubte, auf einer dieser rückbesinnlichen Jammer-Grufti-Veranstaltungen à la "Früher war alles besser" gelandet zu sein, lag falsch. Denn auch wenn sich alle geladenen Bands mit Fug und Recht auf ihre Post-Punk-Wurzeln beziehen dürfen, stehen sie doch allesamt musikalisch nicht im Gestern, sondern mitten im Hier und Jetzt. Zum Glück! Denn früher war eben nicht alles besser, und das Leben spielt heute. Die Musik im Übrigen auch.
Vulkanwarnung? Wenn's nichts Schlimmeres ist...
Einen Blick hinter die Kulissen lieferte das Gespräch mit Christian Lebrecht, Bassist der Gastgeber Golden Apes, die das Dark Spring-Festival mittlerweile zum achten Mal auf die Beine gestellt haben. Und die sich freuen durften, dass dieses Jahr zwar einer der DJs für die After-Show-Party wegen eines drohenden Vulkan-Ausbruchs auf Sizilien festsaß und kurzfristig ersetzt werden musste, sonst aber keine Katastrophen zu verkraften waren. Schließlich gab es auch schon Jahre, in denen Bands dank einer Panne ihren eigenen Auftritt verpasst haben. "Na, jedenfalls ist es nie langweilig", sagte Christian und verschwand grinsend in Richtung Backstage. Schließlich stehen auch die Gastgeber Golden Apes bei ihrem eigenen Festival immer live auf der Bühne.
Alliteration Kit - die Opener
Ein bisschen Jazz, ein bisschen Rock, ein Hauch Florence and the Maschine, dazu eine gute Prise Siouxsie Sioux - so in etwa lässt sich der angenehm-fluffige Opener Alliteration Kit aus Russland beschreiben. Knackiger, guter Einstieg in den Abend.
Wer hat Angst vor Horror Vacui?
Das Gefühl kennt jeder, der malt oder schreibt: Horror Vacui, die Angst vor dem leeren Blatt oder der leeren Fläche auf der Leinwand. Doch die gleichnamige Band aus Italien war zumindest den Gruftboten zunächst kein Begriff. Die Combo mit immerhin zwei Frauen (Bass, Gitarre) füllte diese Wissens-Leere mit kernigem Goth-Punk. Prima, jetzt war auch der Rest des noch etwas trägen Publikums wach.
Ascetic: - Eine Portion Noise, bitte
Aus Melbourne, Australien, angereist ließ sich das Herren-Trio den Großteil ihres Auftritts vom Lichtmeister in Nebel und blutrotes Licht tauchen. Was aus Fotografen-Sicht eine Katastrophe war ("Rot geht gaaaar nicht!"), passte doch sehr gut zum harschen Noise-Post-Rock-Krach der Australier. Etwas anstrengend, aber eben auch irgendwie anders. Wer Noise- und Death-Rock etwas abgewinnen kann, war hier richtig.
Schöner Leiden mit den Golden Apes
Klassisch dagegen der Wave-Sound der Gastgeber Golden Apes aus Berlin. Tieftraurig die Texte, schwelgerisch das Bett aus Gitarren, Bass und Keyboard, und dann noch diese Stimme von Sänger Peer Lebrecht, von der man sich wünscht, sie würde einem jeden Morgen ins Ohr singen, und sei es nur die To-do- oder Einkaufsliste. Herrlich, und so herrlich traurig, schöner Leiden geht kaum. Das Konzert hätte ruhig länger ausfallen können.
and also the trees - Die Altmeister
Die Briten hatten ein vollständiges Konzert versprochen, und sie hielten das Versprechen. Für viele Besucher war der Auftritt der Indie-Altmeister, die schon Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger mit ihren Freunden von The Cure getourt sind, offensichtlich eine Herzensangelegenheit. Der Jubel war groß, der Gig aber auch. Alles genauso, wie es sein muss, und allein die Tatsache, dass die Briten soeben mit "Born Into The Waves" Longplayer Nummer 13 veröffentlicht haben, zeigt, dass auch diese Band musikalisch keinesfalls am Ende ihrer Skala angekommen ist. Ein würdiger Abschluss eines runden Abends.
Das Publikum ...
bestand überwiegend aus liebevoll gestylten Ü-30-Gruftis irgendwo zwischen Oldschool-Punk, Indie-Musiknerds und Romantik-Goths. Ausgesprochen hübsche Vogelnest-Frisuren in tollen Farben. Unterm Strich eine sehr angenehme, familiäre Atmosphäre. Happy Gruftis, sozusagen, die für schmale 27 Euro im Vorverkauf oder 30 Euro an der Abendkasse einen feinen Musik-Abend genießen konnten.
Bester Song ...
war "Occam's Razor", die aktuelle Single von den Golden Apes. Der Ohrwurm reichte bis nach Hause.
Bester Moment ...
... als in der Umbau-Pause vor and also the trees der DJ "A Night Like This" von The Cure auflegte und alle selig mitsangen. Hach...
Bestes Detail ...
... die feinen Manschettenknöpfe von and also the trees-Sänger Jones.
Die After-Show-Party ...
... mussten die Gruftboten leider schwänzen, weil die Bahnen wegen der dämlichen Zeitumstellung so ungünstig fuhren. Schade! Denn das, was zwischen den Bands an Musik lief, ließ Gutes erwarten.
Die Location ...
hatten wir ja bereits beschrieben. Cooler, verwinkelter Club mit tollen, viereckigen Deckenlampen, gutem Sound, Rückzugsorten, Sitzplätzen und wenigen, aber sauberen Toiletten in der ersten Etage und der tollsten Discokugel überhaupt. Bier gibt's in Flaschen ab drei Euro, die U-Bahnstation Schlesisches Tor ist direkt vor der Tür.
Das Fazit ...
fällt kurz und knapp aus: Top-Festival für Oldscool-, Indie-, Wave- und Post-Punk-Fans! Gerne wieder.