Peter Heppner im Gruftboten-Interview: „Wenn Du ein einfaches Leben willst, werd nicht Musiker“

Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue
Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue

Während der Gruftbote in dieser Woche zwei Jahre alt geworden ist, feiert Peter Heppner bereits sein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Wie großartig das Fest-Konzert der zugehörigen „30 Years of Heppner“-Tour Ende November in Potsdam war, haben wir Euch bereits erzählt. Dass der ehemalige Wolfsheim-Sänger die Gruftboten kurz vor seinem Auftritt auch zu einem Interview empfangen hat, aber noch nicht. Lest heute, was der Hamburger mit der besonderen Stimme (hach, diese Stimme…) über Wolfsheim, seine Anfänge als Musiker, die schwarze Szene und über das Musikbusiness im Allgemeinen zu sagen hat. Viel Spaß!

Hallo Peter, Du bist jetzt 30 Jahre als Musiker aktiv, eine lange Zeit. Findest Du es peinlich, wenn Du zum Beispiel Mick Jagger von den Rolling Stones über die Bühne springen siehst? Der ist ja noch viel länger dabei. Wird es irgendwann würdelos? Oder seltsam?

Im Grunde genommen fand ich das bei denen vor 20 Jahren schon schwierig. Und heute finde ich es noch schwieriger.

Vor 20 Jahren habe ich beim Konzert der Rolling Stones gedacht: Mist, Mick Jagger ist fitter als ich...

(Lacht) Ja, das stimmt. Aber solange man sich damit wohl fühlt und solange es die Leute noch sehen wollen, warum nicht?

Dein berühmtes Projekt Wolfsheim ist ja schon lange Geschichte, trotzdem funktionieren Wolfsheim-Lieder bis heute auf jeder Party zuverlässig. Nervt das?

Nein, das ist schön so. Aber natürlich nervt es schon, wenn man immer wieder nach Wolfsheim gefragt wird, schließlich macht man ja auch andere Sachen und hat schon ganz viele andere Sachen gemacht. Und es gab mich ja vor Wolfsheim und währenddessen auch schon solo und danach ebenfalls. Aber natürlich ist Wolfsheim auch ein ganz, ganz wichtiger Teil meines Lebens. Ich war ja auch ein ganz, ganz wichtiger Teil von Wolfsheim.

Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue
Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue

Kommen wir also zu Heppner. Beim Lied "Meine Welt" hast Du ja im Text die Farbe Schwarz mit dem Hass gleichgesetzt, was in der schwarzen Szene wohl nicht so gut ankam...

 Nein, mit dem Tod...

 

Ah, richtig, mit dem Tod, sorry . Trotzdem ist es ja so, dass Szenemitglieder die Farbe Schwarz nicht nur allein mit dem Tod in Verbindung gebracht sehen wollen.

Naja, also das ist ja nun keine Verbindung, die von mir kommt. Und die Szene zieht sich ja auch schwarz an. Außerdem war ich ja selbst von Anfang an in der Szene, als es noch gar nicht Gruft hieß, sondern New Wave, in den Achtzigern. Ich hab es also wirklich selbst von Anfang an miterlebt. Das heißt, ich weiß ja auch, warum wir angefangen haben Schwarz zu tragen. Wenn da jetzt irgendjemand drüber sauer ist, dann kann ich nur sagen: Ok, schlag mal nach in den Annalen des New Wave und des Grufti-Tums, und dann wird das alles in Ordnung sein.

Würdest Du Dich heute noch als Teil der Szene definieren?

Ja klar.

 

Das sieht man, Du trägst ja gerade auch von Kopf bis Fuß Schwarz. Da draußen im Publikum sind allerdings ziemlich viele Bunte...

Ja, natürlich!

 

Wie kommt das, bist Du das Bindeglied zwischen der schwarzen und der bunten Welt?

Das fänd ich schön, wenn es so wäre.

 

Also, sie vertragen sich offenbar prima...

Ja, klar, und das war bei mir immer so. Überhaupt hat bei mir auf den Konzerten ja auch immer alles funktioniert. Ob das jetzt mit Wolfsheim war oder bei mir oder mit Witt zusammen oder selbst bei den Sachen, die ich mit Schiller oder mit van Dyk gemacht habe.

Gibt es irgendetwas im Musikbusiness, das Dich so richtig nervt oder ärgert?

Es ist ein bisschen schade, wie sich das Ganze durch diese Download-Geschichten verändert hat. Es geht nicht darum, dass ich unbedingt viel Geld verdienen will, das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist aber: Als wir noch CDs verkauft haben, war viel mehr möglich. Es gab viel mehr Bands, die das hauptberuflich machen konnten. Heute vergeht ja kaum ein Monat, in dem sich nicht eine Band auflöst, weil sie einfach nicht mehr können, weil es sich einfach nicht mehr finanzieren lässt. Das finde ich unglaublich schade. Wenn man sich überlegt, der gesamte deutsche Alternative-Bereich, der gesamte deutsche Gruft-Bereich, alles das, was auf dem WGT auftritt zum Beispiel, das gibt es nur deshalb, weil wir vor zehn oder vor fünf Jahren sogar noch Platten verkauft haben, weil da eben noch Geld drin war. Die Leute konnten es sich leisten, sich für Musikprojekte zu engagieren.

Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue
Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue

Schallplatten und CDs waren Werte, die man sich ins Regal gestellt hat.

Ganz genau. Und damit sind wir ja auch berühmt geworden. Dass wir Deutschen Gothic erfunden erfunden haben, weiß man auch in Amerika. Das wird auch sehr anerkannt. Vor allem, weil es auch eine so bunte - oder sagen wir lieber: eine so vielfältige - Szene war. Es ist schade, dass das nicht mehr so funktioniert.

 

Und wie läuft es jetzt?

Du musst als Musiker versuchen, Dich über Werbung zu finanzieren. Du musst versuchen, Dich über Konzerte zu finanzieren. Du musst versuchen, irgendwo das Geld herzukriegen. Du musst einfach hinter Geld her sein, was Du vorher nicht musstest, weil es von alleine gekommen ist. Das war eine tolle Sache.

 

Es gibt aber auch einen Retro-Trend, die Leute kaufen wieder Platten. Könnte das das Geschäft wieder beleben?

Den Trend gibt es. Aber ich kenne ja auch die Zahlen ...

 

... und der Anteil ist verschwindend gering?

Ja.

Findest Du es schön, wenn jeder Deine Texte auf seine eigene Art interpretiert?

Aber natürlich. Das ist auch das, was ich bei Kunst wichtig finde, dass Du Dich darin wiederfinden kannst, dass Du Dir den Schuh anziehen kannst, dass es Dir eine andere Sicht auf die Welt eröffnet, die Du ohne die Kunst vielleicht gar nicht hättest.

Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue
Peter Heppner in Potsdam, 25. November 2017 / Foto: Batty Blue

Der Gruftbote wird von einem Dreierkollektiv geführt, wir entscheiden alles einstimmig, aber wir drei sind unterschiedlich musikalisch geprägt. Batty Blue ist die Jüngste im Bunde, sie repräsentiert sozusagen Deine gesamte Schaffensphase. Als Du angefangen hast, Musik zu machen, kam sie auf die Welt. Wie war es denn damals, Musik zu machen? War es ein großer Kampf zu Hause?

Bei mir nicht, ich hatte Glück. Ich bin bei meiner Oma aufgewachsen, und die hat immer gesagt: Solange Du glücklich bist und niemandem auf der Tasche liegst... Aber das kann man sich besser auch gar nicht wünschen. Ich weiß aber auch, dass es bei vielen anders war. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es keine Computer gab, also wirklich keine Computer, da gab es grad mal sowas wie den C64, von Computer kann man da noch nicht wirklich reden. Es gab keine Handys. Man musste ganz, ganz viele Sachen selber machen, sich selber erarbeiten. Vieles, was heute mit einem Knopfdruck so einfach erledigt ist, war damals einfach noch nicht möglich.

Und, soll Batty Blue heute noch Musikerin werden?

Ich sag mal so: Wenn Du ein einfaches Leben haben willst und viel Geld verdienen, dann werd nicht Musiker. Wenn Du was zu sagen hast und Du merkst, das ist Dein Leben, dann mach es auf jeden Fall.