Von Gothamella
Nur noch gut fünf Wochen bis zum nächsten Dark Spring Festival in Berlin! Waren die Gruftboten letztes Jahr schon hingerissen von dieser erlesenen Festival-Perle (nachzulesen hier), verheißt auch das diesjährige Line-Up einen Abend im Post Punk-Himmel: Sweet Ermengarde aus Bochum, A Projection aus Schweden, Whispering Sons aus Belgien, die Gastgeber Golden Apes aus Berlin selbst und obendrauf noch Motorama aus Russland. Wie sie all die tollen Bands Jahr für Jahr finden, wie man es schafft, in nur einem Monat "mal eben" ein Festival zu organisieren und was dabei auch so alles schief gehen kann, verrät Golden-Apes-Sänger und Dark-Spring-Veranstalter Peer Lebrecht am besten selbst - im Interview mit dem Gruftboten. Los geht's:
Gruftbote: Das Dark Spring Festival geht 2018 in die neunte Runde. Kannst Du kurz erzählen, wie es zur allerersten Ausgabe kam? Und wie daraus ein jährliches Festival wurde?
Peer: Nun ja, wie so oft eigentlich begann alles gänzlich ungeplant und aus der süßenSpontanität eines Momentes heraus, als uns nämlich im Frühjahr 2010, über einen Bekannten von uns, das SO36 anbot, seine Räumlichkeiten für einen Abend zur Verfügung zu stellen. Da neben der Ehrfurcht gebietenden Historie des Hauses auch die Konditionen wohlgesonnen waren, reifte in uns über ein, zwei Getränken die Idee, ein paar befreundete Bands einzuladen und ein kleines Festival zu veranstalten, da es dies in Bezug auf favorisierte Genres zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht gab, ein Umstand der immer schon mehr als unerklärlich war.
Doch so gut sich die Idee auch anfühlte, so gab es einen Haken bei der Sache – wir hatten inklusive aller Vorbereitungen nicht mehr als einen Monat Zeit. Und als blutige Veranstalteranfänger, die wir damals waren, konnten wir nur vage ahnen, wie wenig Zeit das wirklich ist. Aber das Glück war mit den Tüchtigen, und so feierte am 19. März 2010 mit Whispers in the Shadows, Vendemmian, Golden Apes und Pretentious Moi das 1. Dark Spring Festival seine Premiere. Dass wir uns im folgenden Jahr entschlossen, eine Fortsetzung zu machen, lag an der großartigen Atmosphäre und dem Zuspruch, den wir erfahren haben. Es war einfach ein rundum gelungener Abend, und die Verlockung (die ideelle, nicht die finanzielle) war einfach zu groß.
Gruftbote: Ihr habt oft kleinere unbekanntere Bands im Line-up dabei, dazu aber auch immer Top-Namen, wenn es um den Headliner geht. Wie findet Ihr die Bands, wie wählt Ihr sie aus? Bekommt Ihr auch richtige Bewerbungen?
Peer: Im Grunde gab es von Anfang an eine Grundvoraussetzung, die wir an uns und die Bands und Musiker, die wir beim Festival auf der Bühne haben wollten, indirekt stellten – wir mussten die Musik mögen! Von vornherein wollten wir nicht jene ermüdende Politik fahren, bei der ein, zwei Headliner als Publikumsmagneten fungieren und der Rest als Füllmasse dient, um Abwechslung vorzugaukeln. Nein, wir wollten, dass ausschließlich Bands spielen, die wir selbst gerne live sehen wollten. Gänzlich ungeachtet finanzieller Risiken und etwaiger Wirtschaftlichkeit. Idealismus war und ist bis heute der Filter bei der Bandauswahl. Und führte halt zu Auftritten von Bands wie Brandenburg oder Alliteration Kit, die bis dato hierzulande kaum jemand kannte, die uns aber im Vorfeld zutiefst beeindruckt hatten, (geschuldet meiner Leidenschaft für die russische Subkultur).
Und wenn wir halt in den Weiten des Raums über eine Band stolpern, die uns gefällt und begeistert, dann wählen wir den simplen Weg des Fragens.
Nun hat sich über die letzten Jahre das Festival solch einen guten und exklusiven Namen gemacht, dass die Anzahl der an uns gerichteten Anfragen stetig wächst, aber noch immer ist unsere musikalische Affinität das Hauptkriterium, und noch immer gibt es Herzenswünsche, die wir uns erfüllen wollen, so wie dieses Jahr mit Motorama zum Beispiel.
Gruftbote: Wie wichtig (oder unwichtig) ist das Land, aus dem die ausgewählten Bands kommen?
Peer: Die Herkunft einer Band ist natürlich mit Abstand das unwichtigste. Die Musik ist das, was ausschlaggebend ist. Natürlich freut es uns, dass wir im Laufe der Jahre immer wieder ein ansehnliches und interessantes Programm zusammengestellt bekommen haben, dessen Protagonisten von Spanien bis Russland und von Finnland bis Mexiko beheimatet waren, aber dies lag weniger am Wunsch, so viele Länder wie möglich zusammen zu bekommen, sondern eher am Blick über Tellerränder und der spannenden Musik da draußen.
Gruftbote: Das musikalische Spektrum des Dark Spring Festivals umfasst zwar einen weiten Bogen von klassischen Post-Punk-Bands über Indie, Noise, Gothic-Rock bis hin zu feinen Wave-Sounds, doch all das passt unter die Überschrift "Oldschool". Ist das nicht arg rückbesinnlich?
Peer: Findest du? Ich glaube eher, dass viele der von dir genannten Musikrichtungen zeitunabhängig funktionieren, und der Umstand, dass bestimmte Genres schon so lange existent sind, heißt ja nicht zwingend, dass sie altmodisch sind. Ganz im Gegenteil! Die Tatsache, dass sich immer wieder neue, junge Bands dort zu Haus fühlen, zeugt doch eher davon, wie aktuell bestimmte stilistische Vokabularien immer noch sind. Und schieben wir mal jene müßigen Klassifizierungen beiseite, dann merkt man schnell, wie lebendig und agil, wie innovativ und progressiv eben jene Musik dieser Tage ist. Und natürlich ist die Rückbesinnung und das Zitieren prägender Einflüsse ein allgegenwärtiges Muster, aber ich denke, das ist das Wesen jeder vorwärts gerichteten Strömung.
Gruftbote: Wer noch nie da war: Welches Publikum kommt zum Dark Spring? Warum findet es im Club Bi Nuu statt? Und wie ist die Stimmung in den vergangenen Jahren gewesen?
Peer: Subjektiv würde ich jetzt sagen: ein Publikum, das einen sehr angenehmen Musikgeschmack hat. Und es ist immer wieder schön zu sehen, wie sich Menschen verschiedenster Couleur, Zugehörigkeiten, Geburtsdaten und modischer Vorlieben zusammenfinden, um einer gemeinsamen Leidenschaft nachzugehen – der Musik.
Das Bi Nuu ist nun schon seit vier Jahren, nach dem SO36 (und einem kleinen, makelbehafteten Exkurs) zweite und feste Heimat des Festivals, und wir könnten uns keinen besseren Ort wünschen. Angefangen bei der Geschichte des Clubs (welche unter dem Namen „Kato“ auch ein Teil der eigenen war), über die Atmosphäre und das Ambiente bis hin zur Liebenswürdigkeit aller, die dort arbeiten, vom Techniker bis zum Einlasser und die, die uns jedes Jahr tatkräftigst unterstützen – es passt einfach, und das Feedback der Festivalbesucher unterstreicht dies ohne Ausnahme.
Gruftbote: Das Artwork für das Festival ist auffallend schön und sehr besonders. Wer ist dafür verantwortlich?
Peer: Ich beantworte diese Frage mit einem von Herzen kommenden „Dankeschön“. Es freut mich, dass jene eigentlichen Randerscheinungen so wohlwollend zur Kenntnis genommen werden.
Gruftbote: Ihr spielt ja selbst mit den Golden Apes auf Eurem Festival, meist direkt vor dem eigentlichen Headliner. Das ist ja eine ganz schöne Doppelbelastung. Wie kriegt Ihr das hin?
Peer: Natürlich ist dies nicht immer das entspannendste Engagement, aber im Laufe der vergangenen Jahre haben wir viel an Routine und einhergehender Gelassenheit dazugewonnen. Wir haben innerhalb der Band eine relativ gut funktionierende Rollenverteilung entwickelt, bei der sich jeder um etwas anderes kümmert und so der Stress überschaubar bleibt. Und weil es uns wirklich wichtig ist, möchte ich diese Gelegenheit nutzen und unseren aufrichtigsten Dank all den bezaubernden Damen und Herren aussprechen, die uns Jahr für Jahr aus freien Stücken Unterstützung anbieten und zur Hand gehen. Das Personal vom Bi Nuu, Boto, Ian, Steffi und all die anderen, die wir hier nur aus Platzgründen nicht allesamt aufzählen können...
Gruftbote: Zeit für ein paar Dönekes: Was ist denn schon mal so richtig schief gegangen?
Peer: Ha, Ha, Ha... es würde etwas fehlen ohne die Momente überraschend dahingemetzelter Planung! Und da gab es durchaus einige. Angefangen von Bandabsagen am Morgen des Festivaltags über linien- und kompetenzüberschreitende Technikerattitüden (manch einer mag sich erinnern) bis hin zu verzweifelten Anrufen aus geografisch nicht ortbaren Automobilen ein paar Minuten vor der Stagetime. Aber wie oben schon erwähnt, man ist entspannter geworden, und es fällt leichter in solch Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, um sich auf eine Lösung zu konzentrieren.
Gruftbote: Musik ist ja heutzutage ein hartes Business. Habt Ihr alle nebenher noch "echte" Jobs?
Peer: So irritierend diese Frage auch ist, so einfach ist auch die Antwort: Ja, das haben wir. Säkular und „echt“.
Gruftbote: Wenn ihr Euch eine Band für Euer Festival wünschen könntet welche wäre es? Und auf welche Band freut ihr euch 2018 am meisten? Und warum?
Peer: Bezüglich des kommenden Line-Ups fällt es wirklich schwer Favoriten zu benennen, weil wir froh und glücklich über jede einzelne Band sind, die an jenem Abend auf der Bühne stehen wird. Sweet Ermengarde kennen wir schon seit Jahren und schätzen ihre Art und Musik wirklich sehr, A Projection sind schon seit ihrem Debüt 2015 in unserem Fokus und Whispering Sons cause shivers down the spine, mehr muss man da gar nicht sagen... Obwohl ich jetzt doch zugeben muss, dass ich mich ziemlich auf Motorama freue. Aber nicht, weil ich musikalisch ratifiziere, sondern weil ich sie seit so langer Zeit schon mag, seit knapp sieben Jahren, um genau zu sein, und es schon ein bisschen angenehm unwirklich ist sie auf „unserem“ Festival live dabei zu haben.
Und ja... es gäbe da schon einige Namen, die wir unheimlich gern auf der Bühne stehend sehen würden wollen - Rosetta Stone, Love Like Blood, Arts & Decay, Asylum Party, The Merry Thoughts... nur leider ...
Gruftbote: Das lassen wir dann mal so stehen... Vielen Dank, Peer, für Deine ausführlichen Antworten. Toi, toi, toi für und vor allem ganz viel Spaß beim Dark Spring Nummer neun!
Tipp: Wer jetzt so richtig Lust auf das diesjährige Dark Spring Festival bekommen hat, sollte sich sputen, sooo viele Tickets gibt es nicht mehr.
Und wer am 24. März 2018 nicht nach Berlin kommen kann: Die Gruftboten sind da und werden berichten.