Von Gothamella
Osnabrück gilt gemeinhin nicht gerade als Mekka für Dark Wave der guten, alten Schule. Klar, dass die Gruftboten schon im Vorfeld des für dem 9. Mai 2018 angekündigten Konzerts der Wave-Legenden Pink Turns Blue im Rosenhof ganz aus dem Häuschen waren. Pink Turns Blue! Live! In Osnabrück!! Doch es kam noch besser: Am Ende des Abends konnten wir uns nicht nur über einen phantastischen Auftritt des Kölner Wave-Post-Punk-Trios freuen, sondern auch über eine richtig tolle Aftershowparty und als Sahnehäubchen auch noch über eine unerwartete Neuentdeckung in Sachen Synth-Pop und Avantgarde Electro.
Dass Pink Turns Blue eine klasse Liveband sind, wussten wir. Sie haben uns schließlich schon das WGT 2016 gerettet (nachzulesen hier). Auch zwei Jahre später im Osnabrücker Rosenhof beweisen sie, dass drei versierte Musiker mit Herz und Können ausreichen, um einen wunderbar vollen Raumklang zu zaubern. Wenn Sänger Mic Jogwer gerade nicht singt und sich stattdessen mit geschlossenen Augen seitwärts zum Publikum hinstellt und einfach nur Gitarre spielt, kann man sich mit ihm gemeinsam tief hineinfallen lassen in diesen Wave-Sound, der sich so treibend und heimelig anfühlt wie früher, aber heute Gottseidank besser, klarer und damit auch nicht mehr so nervig mumpfig klingt. Sehr schön.
Und wenn Bassist Rüdiger Walter dann noch ein, zwei fast gewagte Ausfallschritte Richtung Bühnenkante macht, dann war es das auch schon mit der Show bei Pink Turns Blue. Reicht auch. Schließlich tanzt das Publikum oder lässt zumindest Fußspitzen und Köpfe mitwippen. Man wird ja auch nicht jünger, auch, wenn es sich für einige im Rosenhof bestimmt in diesem Moment so anfühlt, als wären sie wieder 16.
Im Gepäck hatten die Gruftiseelen-Schmeichler dann auch massenweise alte und neue Songs aus der langen Schaffensperiode von Pink Turns Blue, die am Ende nichts, aber auch gar nichts vermissen ließen.
Bestes Lied: "Michelle" in der super Longversion. Und natürlich das unverwüstliche "Walking on Both Sides", das live immer viel flotter daherkommt als auf Platte.
Die Überraschung des Abends aber war da längst schon vorbei, denn die lieferten Alphamay aus Osnabrück, die den Abend im Rosenhof als Vorgruppe von Pink Turns Blue eröffneten. Zum Glück, denn das Avantgarde Electro-Duo bestehend aus Cris Frickenschmidt (Keyboards) und dem stimmgewaltigen Sänger Henning Hammoor war keinem der Gruftboten bis dato kein Begriff. Jetzt aber!
Die beiden lieferten wirklich eine tolle Vorstellung. Die Lieder von Alphamay sind kleine elektronische Kunstwerke, mal balladesk, mal experimentell, immer sehr schön synth-poppig, mit Ohrwurmcharakter und auch mal ordentlich melancholisch. Das Duo, gegründet vor fünf Jahren nach einem schweren Autounfall, bei dem beide unverschuldet verletzt wurden - Cris so schwer, dass er nun im Rollstuhl sitzt - ist nicht nur eine tolle Neuentdeckung für die Gruftboten, sondern auch noch irre fleißig: Fünf Longplayer haben Alphamay bereits veröffentlicht, darunter mit der EP "Mellow Collie" zum Fünfjährigen eine echte Elektro-Perle. Respekt.
Die beiden sind ein eingespieltes Team, schon lange vor dem Unfall haben sie zusammen Musik gemacht. Der Name Alphamay ist Sinnbild für den Neustart - der Unfall geschah am 1. Mai 2012 - alpha may. Wer die Freunde live erlebt, erkennt auch ohne Hintergrundwissen schnell, dass sie mehr verbindet als die Liebe zur Musik. Das ist schön anzusehen und toll anzuhören.
Kunstfertig waren übrigens auch die beiden Coverversionen, die Alphamay an diesem Abend boten, vor allem "On The Other Side" von Silke Bischoff zu Ehren des verstorbenen Felix Flaucher. Dass Hennings Stimme es auch mit den ganz Großen des Business aufnehmen kann, zeigte sich bei der ebenfalls gelungenen Version von Yazoo's "Don't Go". Spätestens da hatten Alphamay die anwesenden Gruftis vollends gefangen, Gruftboten eingeschlossen.
Dass DJ Niggels, der Münster-Partygängern ein Begriff sein dürfe, den eh schon großen Abend mit einer perfekten Party krönte, war wirklich ganz großes Kino. Danke für unverlangt
gespielte Lieblingslieder am Stück. Und danke Cris: Jetzt wissen wir, dass ein Rollstuhl alles mögliche sein mag, aber auf jeden Fall nichts, das einen vom Tanzen abhält.
Fazit: Sensationell guter Abend! Da haben wir ausnahmsweise nichts zu meckern.
Ach doch: Es war tropisch heiß im Rosenhof, wir haben mehr Bier getrunken als sonst, aber mit deutlich weniger Effekt. Aber hey, wen stört das, wenn sonst alles stimmt?
Pink Turns Blue und Alphamay am 9. Mai 2018 in Osnabrück - Die Bildergalerie
Fotos von Batty Blue