Von Gothamella
Das Amphi 2018 war großartig! Heißes Wetter, heiße Leute, heiße Musik. Nur einer hat versucht, sich unbeliebt zu machen. Ob es ihm gelungen ist? Hier die Gruftboten-Rückschau:
Freitag
Ächtz. Diese Hitze... Nach der Anreise zum Hotel inklusive Zirkeltraining mit Koffer um eine riesige Baustelle herum, die sich zwischen unserem Sehnsuchtsort der Woche - dem Kölner Tanzbrunnen - und dem Hotel breitgemacht hat, mussten die Gruftboten erstmal zum Arzt.
Fröhlich, erfrischt und wie immer etwas klüger als zuvor ging es nach dem Besuch bei unserem Lieblingskriminalbiologen und Amphimoderator Dr. Mark Benecke in der Kölner Südstadt zur MS RheinEnergie zum Amphi-Auftakt „Call The Ship To Port“ mit Eisfabrik aus Hamburg, Suicide Commando aus Belgien und den unvergleichlichen Covenant aus Helsingborg, Schweden. Yeah, das war super!
Die kühlen Eisfabrik werden besser und besser, Johan van Roy und sein Suicide Commando sind wieder top in Form, und Covenant haben ihr aus Gruftbotenperspektive bestes Konzert des Jahres (wir haben 2018 bisher drei gesehen) hingelegt. Inklusive ihrem Superhit „Dead Stars“, den die edlen Schweden nur spielen, wenn das Konzert ausverkauft ist. War es. Zu recht.
Alles in allem also ein Traum, dazu gab‘s Flaschenbier für 3,50 Euro, gar leckeres vegetarisches Curry für 5 Euro und vor allem: eine Klimaanlage! Das Schiff, die dritte Bühne des Amphi Festivals, genannt Orbit Stage, ist echt zu empfehlen, auch wenn sie wegen Niedrigwassers erneut am anderen Rheinufer festmachen musste. Klar auch, dass die Tickets für dieses Leckerschmecker-Amphi-Auftakt-Event ratzfatz weg waren.
Bester Schiffsmoment: im angenehm kühlen Fahrtwind oben an Deck sitzen, ein Bier in der Hand, drumherum endlich normale, schöne Menschen, unter den Füßen der Bass von Suicide Commando (ja, sorry, wir haben uns zwischendurch rausgemogelt) und über uns der dicke, fette Blutmond. Herrlich.
Erstaunlichster Schiffsmoment: das unfassbar lange Intro von Covenant. Wie lang war es? Zwanzig Minuten? Ungefähr? Jedenfalls lang. Aber auch sehr, sehr chillig und schön.
Komisch: Ausgerechnet das namensgebende „Call The Ships To Port“ fiel bei den Schweden auf dem Schiff unspektakulär aus.
Gruftigster Moment: Der Angriff der Tausenden halbtoten, weißen Motten auf dem Oberdeck. Huuuuh. Das waren vielleicht viele.
Samstag
Früh auf, früh froh - mit den Jungs von Intent:Outtake auf der großen Bühne im Tanzbrunnen. Die Leipziger würzen ihren schmissigen Elektro-Sound mit durchdachten Texten über Umweltverschmutzung, unbelehrbare Menschen sowie Krieg und Frieden und einem Gastauftritt von Agonoize-Chris. Daumen hoch!
Dann schnell rüber ins Theater, wo Future Lied To Us in Zweierformation den elektronischen Reigen weiterspinnen durften. An den Keyboards Vasi Vallis, der musikalische Alchimist der Gothic-Szene, der jede Band vergoldet und die wohl schönsten Melodien zaubern kann. Noch mal Daumen hoch!
Und dann ab zum Shuttlebus Richtung Schiff, die nächsten Schweden bitten zum Tanz, dieses Mal allerdings mit feinstem Post Punk. Ähnlich wie Covenant und Eisfabrik punkten auch A Projection mit einem besonders charismatischen Sänger (Rikard Tengvall), dazu gibt’s treibende Gitarren, Melodien zum Mitsingen oder Mitweinen und ein dickes, weiches Bassbett. Jungs, das ist toll, weiter so! Zu diesem Zeitpunkt das beste Amphi-2018-Konzert.
Pause im Beachclub, ein Besuch beim Fundbüro (Dankeschön, alles wiederbekommen!) und lecker Pommes für 3,50 Euro essen.
Und dann zur Mainstage, zu OMD! Synthpop-Helden der 80er, und sie können es immer noch! Mit allen Hits! Da haben wir uns richtig drauf gefreut, und wir wurden nicht enttäuscht. Super Sache.
Schade, dass die Gruftboten nicht alles von OMD sehen konnten, denn zwischendurch hatten wir noch einen tollen Interview-Termin. Mit wem? Verraten wir ganz bald - natürlich im Gruftboten.
Pünktlich zu ASP waren wir wieder vor der Mainstage, und obwohl Teile der Gruftboten leichte Zweifel hatten, ob das wohl passt, muss man sagen: Doch, das passte sogar sehr gut! Asp war gut drauf, die Menge davor ebenfalls, es rockte ordentlich - runde Sache.
Eine Stippvisite beim parallel im Theater aufspielenden Midge Ure aus Schottland aber machte uns etwas traurig. Der Ex-Ultravox-Sänger war nämlich auch große Klasse! Warum kann man sich nicht zweiteilen?
Sonntag
Früh auf, früh froh - Teil zwei, jetzt mit Heldmaschine, die angetreten sind, um offiziell das Erbe von Rammstein anzunehmen. Und bei einer so sauberen Mischung aus Eigenständigkeit, klassisch-guten NDH-Songs und herrlich entspannter Selbstironie („Ich roll das R...“, haha!) könnte das glatt gelingen. Optik ist auch fein, alles richtig gemacht!
So waren die Gruftboten schon in Top-Laune, als Neuroticfish die Mainstage und das reichlich angetretene Schwarzvolk mit ihrem kristallklaren Elektro-Sound fluteten. Rampensau Sascha (dieses Mal obenrum in schwarz und nicht im Holzfällerlook, dafür mit Bluejeans - er verschwärzt zusehends!) präsentierte stimmgewaltig einen Hit nach dem anderen, klasse. Auch der neue Song vom im Herbst erscheinenden Album „Antidoron“ lässt Gutes ahnen. Und auch wenn der Frontmann nicht immer textfest ist: Der Fisch kann singen! Und wie er das kann! Die Gruftboten freuen sich schon jetzt auf das Record-Release-Konzert im Oktober.
Dann ins Theater zu Priest. Und wieder raus. Optik ok, Pest- und Nietenmasken und so. Aber diese Mischung aus recht harschen Elektrobeats und unruhigem, aber auf jeden Fall kunstvollen Jazz-Pop-Gesang ist relativ sperrig. Vielleicht braucht man dafür mehrere Anläufe?
Dann wieder rein zu Grendel, auf die sich nicht nur die Gruftboten, sondern offenbar auch alle Cyber, die die Apokalypse überlebt und es zum Amphi geschafft haben, gefreut hatten. Doch ach, es war irgendwie lahm, und sogar die Cyber wackelten bald eher lustlos von einem Bein aufs andere. Hm.
Dann doch lieber den schönsten Sven der Szene mit seinem Erfolgsprojekt Solar Fake auf der Hauptbühne zu Ende anschauen. Das war wie erwartet vom Feinsten.
Und schließlich war danach eh Agonoize dran. Wir waren gespannt, wie die Band das fürs Amphi verhängte Blut-Rumsau-Verbot wohl meistern würde. Doch der gehörnte Agonoize-Chef Chris L. musste ja unbedingt die Fotografenmeute im Graben mit einer Wasserdusche beglücken! Nicht aus Versehen, sondern mit Absicht. Hallo??? Die Fotografen machen da übrigens ihre Arbeit! Und diese seltsamen schwarz-grauen Dinger mit den großen Objektiven dran sind übrigens auch nicht aus dem Ein-Euro-Shop!
Also, wir finden, das geht gaaaaaar nicht! Total unsportlich, primitiv und überflüssig. Die Gruftboten sind dann gegangen. Zum Glück hat sich die eine Kamera nach ein paar Stunden Trocknungszeit wieder berappelt.
Die Fans fanden es trotzdem gut. Wir vergeben den Titel: Flop des Tages.
Girls Under Glass, unsere Goth-Rock-Wave-Lieblinge aus dem kühlen Hamburg, haben dann im Theater alles wieder wettgemacht: Tolles Konzert der guten, alten Schule, inklusive Auftritt des früheren Sängers Thomas "Tom" Lücke, ein Fest für Fans (und für die, die Agonoize doof finden). Auch super: die neue Single „Endless Nights“, die erste nach 13 Jahren, und dann gleich so ein Hit. Tipptopp!
Die Headliner And One auf der Mainstage und Goethes Erben im Theater waren gut gewählt. Draußen feierte die Menge mit Steve Naghavi, der sing- und tanzfreudig wie gewohnt eine tolle Show lieferte. Allerdings wirkte er zwischendurch ein wenig angestrengt. Auch kann er das Provozieren einfach nicht lassen. Mit dem vom Publikum ahnungslos nachgebrüllten Buchstaben A - D - O - L - F hat er aber eindeutig den Bogen überspannt. Geht gar nicht!! Sechs, setzen. Aber das Konzert war gut.
Im Theater indes bot Oswald Henke, Chef von Goethes Erben, genau das, wofür ihn viele aus der Szene seit Jahrzehnten lieben. Kunstvoll-dramatische Melancholie-Poesie an handgemachter Musik. Das kann man zu verkopft und viel zu anstrengend als Abschluss eines entspannten Sommer-Festivals finden. Das prall gefüllte Theater und die seligen Mienen im Publikum aber zeugen davon, dass man das auch ganz anders sehen kann.
Fazit: Einmal mehr wurde in Köln klar: Jeder Jeck ... ähm ... jeder Grufti ist anders, doch die Amphi-Macher kriegen sie alle! Deswegen war das liebevolle Festival unter den Pilzen auch mit 12.500 Besuchern ausverkauft. Gut so - und bis zum nächsten Jahr!
Hier noch die Amphi-2018-Tops der Gruftboten:
Besten drei Konzerte:
Dunkelklaus:
A Projection
Neuroticfish
OMD
Batty Blue:
A Projection
Girls Under Glass
Midge Ure
Gothamella:
Neuroticfish
A Projection / Girls Under Glass
Heldmaschine
PS. Besonderer Dank Richtung Veranstalter an Elmar Herrmann für ungefähr 3000 tapfer beantwortete Fragen und an Michael Temme, der wie kein anderer am Einlass Glück, Coolness und Liebenswürdigkeit ausstrahlt.
Amphi-Festival 2018 - Die Bildergalerie
Fotos von Dunkelklaus und Batty Blue