Von CorviNox
Am 31. August und 1. September 2018 öffnete auf dem Maimarktgelände in Mannheim zum ersten Mal das Black Castle Festival seine Pforten. Den Besuchern wurde einiges versprochen, das anders sein sollte als auf anderen Veranstaltungen. Ob die Macher dies alles
halten konnten, lest ihr in unserem Bericht.
Freitag
Die Anreise zum Maimarkt war absolut unkompliziert. Die Location mitten in Mannheim ist von überall aus gut zu erreichen. So hat der Maimarkt eine eigene Autobahnausfahrt, S-Bahn- und Stadtbahnhaltestelle sowie tausende von Parkmöglichkeiten rund um das Gelände.
Als ich diese allerdings ansteuerte, beschlich mich schon ein mulmiges Gefühl. Denn anders als das letzte Mal, als ich hier zu einem Konzert war, war der Parkplatz auffällig leer. Und das, obwohl ich mit einigen Stunden Verspätung eintraf.
Meine Befürchtung wurde bestätigt. Nach einem schnellen, unkomplizierten und überaus freundlichen Empfang am Ticketschalter erwartete mich der traurige Anblick eines verwaisten Veranstaltungsgeländes. Auf dem riesigen Areal des Maimarktes rund um die Veranstaltungshalle präsentierten sich circa ein dutzend Zelte, welche verlorener und unpassender nicht hätten wirken können. Und nur dazwischen versprengt die eine oder andere schwarze Gestalt. Ohje.
Ein wenig Trauer umspülte meine Gedanken. Erst vor Kurzem habe ich mit dem Tanzritual ein noch junges Festival zu Grabe tragen sehen, welches es trotz einer sehr guten Location und hervorragenden Bands es nicht schaffte, zur dauerhaften Institution zu werden. „Nun ja“ dachte ich, es war ja schließlich auch noch relativ früh an diesem Freitag. Viele müssen vielleicht noch arbeiten oder sind anderweitig verpflichtet.
Vielleicht sollte es sich ja später noch bessern. Dennoch überdachte ich meine anfängliche Begeisterung darüber, dass ein Festival schon freitags beginnt und samstags endet. So hat man noch den ganzen Sonntag, um sich von seinem Rausch… (natürlich dem musikalischen ;) ) zu erholen.
Der Überblick über das Gelände war schnell verschafft: Der Mittelaltermarkt umfasste eine Taverne, einen Bogenschieß- bzw. einen Axtwurfstand, eine Handvoll Händler (davon einen Metstand mit vielen außergewöhnlichen Metsorten) und eine Wahrsagerin. Hinter dem Mittelaltermarkt entdeckte ich in einem Gatter zwei Kamele und zwei Ponys, welche traurig und träge kauend auf dem Schotter standen und darauf warteten, dass die Festivalbesucher auf ihnen über das Gelände reiten. Diese Idee kam nicht gut an. Viele Menschen in unserer Szene sind nun mal einfach etwas mitfühlender und reagieren mit Abneigung, wenn Tiere zur Belustigung eingesetzt werden. So war es nicht verwunderlich, dass ich während meiner Zeit auf dem Gelände niemanden gesehen habe, der dieses Angebot in Anspruch nahm.
Vor der kleineren Veranstaltungshalle des Geländes, dem Maimarktclub, gab es einen alten Eiswagen, der sehr leckere Becher verkaufte. In der Halle selbst gab es in einem Vorraum zwei Gothic-Händler, je einen Merchstand für Bands und Festival, sowie einen Tätowierer.
Der Maimarktclub ist etwa 1500 Quadratmeter groß, was sich als genau die richtige Größe für dieses Wochenende herausstellen sollte. Abzüglich Bühnenaufbauten, Technikinsel und Getränkestand war hier stets immer genug Platz, um sich frei zu bewegen. Im angrenzenden Außenbereich gab es zwei Fastfoodwagen und einen weiteren Getränkestand sowie einige Biertischgarnituren, welche fast durchgehend gut besetzt waren. Ein paar Sitzgelegenheiten mehr hätten hier und da gut getan… glücklicherweise sind wir ja nicht kontaktscheu, und so kam man schnell mit den Tischnachbarn ins Gespräch, und nicht selten waren diese Mitglieder der auftretenden Bands.
Der große Vorteil kleiner Festivals ist das Familiäre, die man an allen Ecken und Enden spürte. Veranstalter „Heimo“ war überall und packte selbst mit an und war - wie sein ganzes Team - unfassbar freundlich und hilfsbereit. Alle hatten eine Menge Spaß daran, dieses Event auf die Beine zu stellen, was nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Bands anzustecken schien.
Meine erste Band des Tages waren die Jungs von Model Kaos, welche mir mit ihrer Mischung aus Dark Wave und Old School EBM gleich sehr gut gefielen. Vor allem der Titelsong des neuen Albums "Liar" hallt mir noch immer im Ohr. Die Scheibe steht auf meiner Wunschliste.
In der Umbauzeit schaute ich mir die vom Veranstalter angepriesene Kinderbetreuung an. Als Vater halte ich es für eine großartige Idee, wenn die Eltern in Ruhe Erwachsenenunterhaltung mit Kunstblut und Co. auf der Bühne genießen können, während sie ihre Kinder bei einer professionellen Kinderbespaßung wissen. Doch im Betreuungszelt nahe des 10 Minuten entfernten Campingplatzes fehlten bei meinen Besuchen vor allem: Kinder. Stattdessen traf ich auf deutlich ältere „böse schwarze Menschen“ unserer Szene beim Mandala ausmalen, Tiermasken basteln und Süßigkeiten verdrücken. Mit dem Nessaja-Songtext „Irgendwo tief in mir… bin ich ein Kind geblieben…“ auf den Lippen ging es zurück zur Halle.
Dort brachten Nox Interna einen Hauch von Wahnsinn mit auf die Bühne. Mit ihrem spanischen Gothic-Punk im Flair eines Malkavianischen Herrengesangsvereins auf Speed verstörten und faszinierten sie ihr Publikum gleichermaßen. Doch spätestens beim Héroes del Silencio-Cover „Entre dos tierras“ gingen die bis dahin gerade mal 200 angereisten Zuschauer begeistert mit. Auch das ist eine Band, die ich mir garantiert nochmal ansehen werde.
Der Kontrast zur nachfolgenden Band hätte kaum krasser sein können. Ost+Front drehte den „Neuen-Deutsche-Härte-Grad“ um mindestens 5 Stufen höher. Die Berliner rockten mit ihrer routinierten Show die kleine Maimarkthalle endgültig aus ihrem Unschuldsschlaf. Und es sollte wohl auch zugleich Lockruf an alle Schwarze Seelen draußen sein, denn auf einmal füllte sich die Halle, und die Stimmung war unterstützt durch einen schwarzen Ballonregen ausgelassen.
Doch das war leider zu schnell wieder vorbei. Beim Auftritt von Schwarzer Engel leerte sich die Halle zusehends. Zwar hat Dave Jason eine gute Bühnenshow konzipiert, doch leider liegen zwischen den Studioversionen seiner düsteren, ja gar beklemmenden Songs und seinen Liveauftritten Welten. Auch ich nutzte die Zeit für meine erste Hopfenhaltige Erfrischung am Getränkestand. Die Getränkepreise waren ordentlich. 4 Euro für ein Bier im 0,4er Becher plus 2 Euro Pfand – bei den Bierpreisen orientiert man sich schon an den großen Events. Alkoholfreies gab es aber ab durchschnittlich 3 Euro.
Sehr schöne Idee: Während der Headliner aufbaute, gab es vor der Halle zum Überbrücken der Wartezeit eine kleine Feuershow. Und die war richtig, richtig gut! Unter der Beschallung von AC/DC lieferte eine dreizehnjährige Dame eine außergewöhnliche gute Leistung zum Besten, welcher in einem Feuer-Hula-Hoop-Tanz seinen Höhepunkt hatte.
Danach spielten in der Halle mit Stahlmann zweifelsohne berechtigte Headliner auf. Die Göttinger bewiesen mit ihrer hervorragenden Show einmal mehr, dass sie längst aus dem Eisbrecher-Schatten getreten sind. Dabei schien es für die Band keinen Unterschied zu machen, ob sie auf dem kleinen Maimarkt oder auf dem großen M‘era Luna auftreten. Martin Soer und seine Stahlmänner hatten sichtlich Spaß.
Samstag
Als ich am Samstagmittag auf das Maimarktgelände zurückkehrte, fand ich erfreulicherweise schon so viele Menschen auf dem Festival vor wie beim Verlassen am Vorabend. Das weckte in mir die Hoffnung, dass das Black Castle doch noch zum Erfolg wird. Und zwar verdient, denn der gestrige Abend war, zumindest organisatorisch, perfekt gelaufen.
Den Opener machte die mir bis dahin unbekannte Band Schlagwetter, für mich die positivste Neuentdeckung des Festivals. Natürlich dürfen Unken „Wieder eine NDH-Band“ rufen, aber tatsächlich stachen die Essener mit gutem Gesang und guter Show für mich heraus und vom gekauften Album bin ich auch nicht enttäuscht.
Es folgten The Pussybats mit erfrischendem Indie-Gothic-Rock. Leider hatten sie fortwährende technische Probleme mit ihrem für das Synthie-Playback zuständigen Notebook. Gitarrist Maze hielt das Publikum während der vergeblichen Neustartversuche mit viel Charme bei Laune. Somit ging es danach ohne Playback weiter, was aber mindestens genauso hervorragend, vielleicht sogar ein klein bisschen besser war.
Intent:Outtake war meine zweite große Überraschung des Abends. Seit ich die Leipziger das letzte Mal vor zwei Jahren gesehen habe, hat sich das Duo sehr positiv entwickelt. Die Gesangseinlagen sind kraftvoller, etwas aggressiver und noch passender zum Elektrobeat der Band. Auch die Bühnenpräsenz hat sich um Welten verbessert. Von dieser Band dürfen wir für die Zukunft noch viel erwarten.
Bei Eigensinn freute ich mich vor allem auf eine Sängerin in der sonst männerdominierten NDH-Welt. Nicht zuletzt hatte man mir immer wieder von der Liveperformance vorgeschwärmt. Doch scheinbar waren die Möglichkeiten der BCF-Bühne beschränkt. Zwar gab es live viel fürs Auge, doch oftmals wirkte es sehr improvisiert. Sängerin Nemesis überzeugte mit einer kraftvollen Stimme, die aber in zu wenigen Liedern ihr Potenzial ausreizen konnte. Insgesamt lässt sich aber sagen, dass es Eigensinn in 15 Jahren Bandgeschichten zuvor zu Unrecht nicht an mein Ohr geschafft hat.
Als nächstes betraten die Altherren-Metaller Voodoma die Bühne… und nein, auch wenn ich das Wortspiel mit dem „Wutopa“ an dem Tag mehrfach hörte, ich werde es hier nicht wiedergeben… garantiert nicht! Die Düsseldorfer jedenfalls waren großartig. Kernig und hart trafen sie genau meinen inzwischen auch in die Tage gekommenen Geschmack. Leider schmälerten immer wieder auftretende Rückkopplungen das Vergnügen.
Die dritte und letzte Überraschung des Abends war für mich Schattenmann, welche ich bis dato nicht live gesehen hatte. Zu Unrecht! Auf Tonträgern hatte ich noch weitergeschaltet und an einen weiteren der unzähligen NDH-Klone gedacht, deren Bezeichnung aus einem Bandnamengenerator mit den Worten „Schwarz, Stahl, Blut, Schatten, Tod, Engel, Mann, usw.“ purzelt. Nun war ich hin und weg von dem Auftritt: Eine großartige Performance, gepaart mit einer noch großartigeren Show. Ich bin sicher: Schattenmann wird bald zu den ganz Großen des Genre aufschließen. Und auch das Publikum gab mir recht.
Heimatærde waren dagegen keine Überraschung. Gewohnt professionell haben Ashlar und seine Brüder einen hervorragenden Auftritt absolviert. Lediglich Bruder Jaques wirkte enttäuscht ob der überschaubarer Zahl derer, die zum Gebet knieten. Sei er doch anderes aus Hildesheim gewohnt. Somit vermittelte er den Eindruck eines Inquisitors, welcher mit Zwang den Spaß einzutrichtern versuchte. Dennoch… die Bühnenshow inklusiv (sehr) offenherzigem Opfer und Blutdusche beim Hackebeil waren allein Grund genug, dieses Festival zu besuchen.
Hatten Heimatærde den Saal gefüllt, wurde es mit dem anspruchsvollen Beitrag der Lokalmatadoren von Still Patient? wieder ruhiger auf und vor der Bühne. Keine Frage, Andy Koa ist gut wie eh und je. Doch zwischen den Showeinlagen der anderen Bands wirkte der ansonsten souveräne Auftritt eher trist und langweilig. Ob und wie weit die Band wieder an die Erfolge der alten Tage anknüpfen kann, ist fraglich. Nur wenige Gäste verharrten auf der Bühne, und von denen warteten einige auf den Headliner.
Sie warteten zu Recht! Mit Lord of the Lost holten sich die Veranstalter ein Zugpferd ins Boot, welches eine fast volle Halle garantierte. Auch wenn Leadsänger Chris Harms leider wegen Krankheit ausfallen musste, so hat ihn sein schwuler Zwillingsbruder Jeff (Die zwei sehen sich aber auch einfach zum Verwechseln ähnlich) würdevoll vertreten. Die Band legte einen grandiosen Auftritt hin, ganz so, als ob sie nicht mit 800, sondern 8000 Leuten feiern würden. Und selbst Chris… *hust*… Jeff stellte fest, wie schön es ist, in solch familiärer Atmosphäre zu spielen. Fernab eines strengen Zeitkorsetts nahm sich die Band Zeit, mit dem Publikum zu flirten und alle großen Songs der Lords zu spielen. Das reichte bis hin zum neuen Hit „Morgana“. Von dem behauptet die Band, dass man ihn in fünf Jahren wahrscheinlich als bestes Lied der Lords aller Zeiten bezeichnen wird.
Zusammenfassend kann ich nur beteuern, welch angenehmes Klima auf dem Festival herrschte. Die Organisation war hervorragend, die Crew immer ansprechbar und hilfsbereit. Die Idee mit der Kinderbetreuung war gut, auch wenn sie nicht genutzt wurde. Ich hoffe, dass sich dies spätestens im nächsten Jahr ändern wird, wenn die Mundpropagandamaschine anläuft.
Somit sollte es in die Welt hinaus getragen werden dass sich das Schwarze Volk 2019 in Mannheim zusammenfinden soll um mit Suicide Commando, Crematory, Heldmaschine, Clan of Xymox, Eisfabrik und vielen mehr zu feiern. Veranstalter und Location haben auf jeden Fall das Potenzial, weiter zu wachsen. Selbst ein Open-Air mit mehreren tausend Besuchern dürfte kein großes Problem darstellen. Wer weiß: Vielleicht war das Fest am
Der Veranstalter sowie die Location bergen auf jeden Fall das Potenzial das Festival im Falle eines stetigen Wachstums zu begleiten… selbst ein Open-Air Festival mit mehreren tausenden Menschen könnten hier wahrscheinlich ohne Probleme stattfinden. Wer weiß, vielleicht waren die beiden Tage in Mannheim die Geburtsstunde von etwas Großem.
Zitat des Abends
Chris oder auch „Jeff” Harms, (Lord of the Lost): „Auch wir hatten einen harten Tag. Schließlich mussten wir den ganzen Tag Backstage verbringen und Bio-Fairtrade-Koks
konsumieren!“
Black Castle Festival 2018 - Die Bildergalerie
Fotos von CorviNox