Von Dunkelklaus
Einen Nachteil haben neue Bands live dann doch: Nämlich dann, wenn das Publikum lautstark Zugaben fordert, aber es partout gar keine neuen Lieder mehr gibt. So erging es den beiden Post-Punkern von Bragolin beim Konzert am Freitagabend im Béi Chéz Heinz in Hannover. Acht Lieder hat das 2018er-Debüt „I Saw Nothing Good so I Left“ des Duos aus Utrecht. Chef und Sänger Edwin von der Velde (Zwarte Poëzie) hatte zusätzlich eines mitgebracht, welches auf das zweite Album, an dem die Niederländer gerade sitzen, soll. Doch als Zugabe gab es dann nochmal die Single „To Hide to Shine to Cross“.
Das ist aber auch geil genug, um es gleich doppelt zu hören. Denn van der Velde und seine Partnerin Maria Karssenberg (Gitarre und Orgel) zaubern einen süchtig machenden melodisch-melancholischen Dark Wave auf die Bühne. Szenehitpotenzial haben vor allem die treibenden Riffs von „Into The Woods“, das düstere „In Our Fields Of Oaks“ (bei dem auf Platte auch Adam Usi in üblicher Verzweiflung mitsingt) und „Charcoal Teeth and Lies“ mit seinem hypnotischen Refrain „Their Eyes“. Bragolin ist perfekt für Leute, denen Lebanon Hanover inzwischen zu bekannt und mainstreamig sind.
Auch die Vorband Undertheskin, die die Macher der „Bruits De La Cave“ zur fünften Auflage der Underground-Reihe auf die Heinz-Bühne stellten, haben erst ein Album namens „undertheskin“ (2015, neu aufgelegt 2018) draußen. Undertheskin ist eigentlich das Ein-Mann-Projekt von Mariusz Lunieski aus Krakau in Polen, der die Band als „Post-Punk-Doppel-Espresso“ bezeichnet. Live werden drei Jungs mit zehn Liedern draus, die dunkle Elektronik mit doppelt Gitarre, einmal Bass und einer markanten Stimme zu einem treibenden düsteren Sound anrühren. Manchmal erinnert der düstere Klangteppich entfernt an die Whispering Sons, die Ende des Monats Hannover heimsuchen wollen, auch wenn Mariusz‘ Stimme nicht an die von Fenne Kuppens heranreicht. Hörenswert sind unter anderem: „Cold“, „Wave“ oder „Train“ (die Songtitel sind knackig kurz).
Mit dem Doppelkonzert hat das Bruits De La Cave-Team einmal mehr ein gutes Händchen in der Bandauswahl gezeigt. Die Hannoveraner zeichnen sich inzwischen dadurch aus, (noch) weithin unbekannte Gruppen mit Potenzial und Bühnenpräsenz zu holen. Wer jammert, dass sich die Szene seit den 1980ern eigentlich nicht mehr weiterentwickelt und sowieso nichts mehr nachkommt, sollte mal vorbeischauen – und dabei die Ohren offen halten.
Undertheskin und Bragolin am 11. Januar 2019 in Hannover - Die Bildergalerie
Fotos von Dunkelklaus