Von Dunkelklaus
Wenn die Golden Apes alljährlich zum Dark Spring Festival in den schnuckeligen Berliner Club Bi Nuu in der U-Bahn-Station Schlesisches Tor laden, kann sich das geneigte Schwarzvolk traditionell auf spannende Bands freuen. Für die 10. Auflage am 23. März galt das besonders: Zum Jubiläum standen gleich sechs Formationen auf der Bühne - und wirklich jede konnte auf ihre Art überzeugen.
Giant Waves
Dabei sah das am Anfang um kurz vor 19 Uhr gar nicht unbedingt so aus: beim Opener Giant Waves aus Wolgograd hatten es nur zwei Drittel des Trios von Russland nach Berlin geschafft. So kamen Bass und Synthesizer vom Band, während Sänger und Gitarrist Ilya Volchansky und Drummer Andrew Fomin ihre Instrumente bearbeiteten. Hatten es die Russen von Motorama es im vergangenen Jahr auf selbiger Bühne nicht recht geschafft, das Fehlen des dritten Mannes zu überspielen, klappte es bei den Riesenwellen super: Heraus kam kraftvoller New Wave mit viel Herz und Schmerz, der zeitweise an die Editors aus Großbritannien oder die Shout Out Louds aus Schweden erinnerte.
Zudem hatten die Wolgograder eine Friedensbotschaft aus dem Jahr 1942 mitgebracht: Volchansky übergab Festivalorganisator Christian Lebrecht das Bild eines Priesters aus der Schlacht um Stalingrad (heute Wolgograd) als Deutsche und Russen Todfeinde waren.
The Foreign Resort
Die Dänen von The Foreign Resort enterten danach zu dritt die Bühne, wobei Sänger Mikkel B. Jakobsen und Steffan Petersen beständig Bass und Gitarre tauschten. Heraus kam eine mal leichtere, mal düsterere Dark Wave/Post Punk-Mischung, die an die „Pornography“-Phase von The Cure erinnerte und entsprechend hochtoupiertes Publikum vor die Bühne lockte. Das lag auch an Jakobsens Stimme, die mal nach Robert Smith (The Cure) und mal nach Paul Smith (Maximo Park) klang. Für mich war die Band die Entdeckung des Abends, da sowohl TFR- Klassiker wie „Urban Depression“ oder „She Is Lost“ als auch neues Liedgut wie das namensgebende „Outnumbered“ des im April kommenden Albums (als CD, die Vinyl-Version plus Digitaldownload gibt’s schon) im Ohr hängen blieben.
Whispers in the Shadow
Für andere Gruftbotenfreunde sind hingegen die TFR-Nachfolger Whispers in the Shadow mit ihrem kraftvollen Gothic Rock die Positivüberraschung des Abends: Die fünf Österreicher brachten nicht nur ein fettes Drei-Gitarren-plus-ein-Bass-Brett mit auf die Bühne. Frontmann Ashley Dayour präsentierte den Auftritt auch noch derart gestenreich, dass And-One-Chef Steve Naghavi dagegen fast schon phlegmatisch wirkt. Und das Berliner Publikum hatten die Whisperer spätestens mit einem verrockten Cover des David-Bowie-Klassikers „I‘m Afraid of Americans“ im Sack. Bowie ist in Berlin halt immer eine sichere Bank: Und wenn die Musiker wie der riesenhafte Bassist Fork sich nicht nur possenhaft anspielen, sondern auch mal den Bass gegen eine Trommel tauschen, ist Livespaß garantiert.
Children on Stun
Dayour wäre sicherlich trotz starker Konkurrenz Frontmann des Abends, wären nach den Whispers nicht die Children on Stun aufgetreten. Die drei Briten waren Anfang der 1990er mal der heiße Scheiß in Sachen Gothrock auf der Insel, waren zwischen 1998 und 2015 aufgelöst und haben gerade ihr erstes neues Material herausgehauen. Von der Ursprungstruppe ist nur noch Frontmann Neil Ash an Bord — und zwar mit geradezu Green-Day-artiger Front-Energie. Wer das aktuelle offizielle Video „Echo“ sieht, könnte an eine brave gewordene Rockformation denken. Doch on stage hält es Ash nicht lange an einem Ort: Im Publikum fängt er junge Damen mit seinem Mikrokabel ein, verwuschelt Gruftis in der ersten Reihe ihre kunstvoll gelegten Haare und kümmert sich mit einer großen Lupe um Drumcomputer und Setlist. Dass links und rechts noch ein Bassist und ein Gitarrist soliden Gothrock mit Titeln wie „All the Pain“, „Overland“ oder „Whisky“ runterspielen, wird bei Ash zur Nebensache. Geil gerät bei den betäubten Kindern ebenfalls eine Coverversion: „I Wanna Be Your Dog“, 1969er-Klassiker von Iggy Pop und seinen Stooges, bekommt von den Briten eine nette Frischzellenkur.
Golden Apes
Den größtmöglichen Unterschied zu Ash verkörpert Golden-Apes-Sänger Peer Lebrecht, obwohl er mit fast drei kompletten Sätzen für seine Verhältnisse fast schon redselig ist. Die Gastgeber treten als zweitletzte Gruppe des Abends kurz vor Mitternacht auf. Traditionell beschneiden die Berliner ihren eigenen Zeitslot zugunsten ihrer Gaststars. Das ist zwar schade, denn die Golden Apes liefern auch in diesem Jahr solide Arbeit ab, doch die meisten Besucher dürften die Band in den vergangenen Jahren durchaus öfter gesehen haben. Allerdings wohl noch nicht in der neuen Kombination: Statt mit zwei sind die Apes nur noch mit einer E-Gitarre auf der Bühne, was ein bisschen den Live-Wumms nimmt. An diesem Abend beschränken sie sich auf zehn Titel. Neben Klassikern wie „Happy Losers“, „Ignorance“ oder „Occam’s Razor“ spielen die Apes auch Lieder des kommenden Albums „Kasbek“, die Lust auf das Release machen.
Then Comes Silence
Mit schon etwas schwereren Beinen erwartet das Publikum um 1 Uhr morgens die finale Band: Then Comes Silence übernehmen die Aufgabe, das müde Publikum nochmal zu aktivieren: Kein Problem für die 2012 in Stockholm gegründete Post-Punk-Goth-Rock-Formation um Frontmann Alex Svenson, die sich in den vergangenen Jahren auf immer größere Bühnen gespielt hat und längst eine sichere Bank guter Liveshows ist. Spätestens bei dem Hitdoppel „The Rest Will Follow“ und „Warm like Blood“ wird bis in die hinteren Reihen getanzt. Ganz vorne in der ersten Reihe hätte die Stimme von Alex Svenson zwar etwas lauter sein können, doch je weiter man nach hinten geht, desto ausgewogener wirkt der Sound.
Fazit
Zum Jubiläum haben die Golden Apes gleich sechs Richtige gezogen: Alle Bands kommen live gut rüber, haben formidable Frontmänner, frisches Material am Start und ergänzen und unterscheiden sich gleichzeitig gut. Und das Bi Nuu ist genau die richtige Location für das kleine Musikliebhaber-Klassentreffen mitten in Berlin. Die Gruftboten haben so viel getanzt, dass sie mal wieder die Aftershow-Party ausfallen ließen und stattdessen fast traditionell lieber zur nächtlichen U-Bahn flitzten. Die dann ebenso traditionell natürlich weg war. Wir freuen uns schon auf 2019!
Beste Band: Foreign Resort (Dunkelklaus und Batty Blue), Giant Waves (Gothamella)
Bester Moment: Die Children on Stun spielen „I Wanna Be Your Dog“ (Gothamella)
Beste Performance: Neil Ash von Children on Stun (alle)
Schade: Dass die Golden Apes immer so kurz spielen (Gothamella), dass wir nicht mehr die Kraft für die Aftershowparty hatten (Dunkelklaus)
Dark Spring-Festival 2019 - Die Bildergalerie
Fotos von Batty Blue