... Christian von Aster:
1. Markus Heitz
über eine gesellige Mischkaltgetränkkonsumqualifikation verfügender,
zertifizierter Chronist bedeutender Teile der Finsternis, mit dem ich abseits der Öffentlichkeit bereits das ein oder andere wohlwollend verwegene Gespräch über dieses, das und sogar jenes führen durfte.
2. Eifersucht
zerstörerische, in der Regel auf der fälschlichen Annahme emotionaler oder anderweitiger Besitzbarkeit von Individuen resultierende Energie.
3. Zwischenleser
Inmitten textwärtigen Kollektivs von Über-, Unter-, sowie Vorder-, Hinter- und verschiedenen Seitenlesern umlagerter Konsument visuell erfassbarer Buchstabenfolgen.
4. Ruhe
Von vermeintlichen Verpflichtungen und Notwendigkeiten allzu leicht verdrängte Möglichkeit zu Refokussierung, Energieerneuerung und Erkenntnisgewinn.
5. Kichern
Lachen mit Schalldämpfer.
6. Bühnenoutfit
differiert, obwohl es Schnittmengen gibt, bei Strippern und Clowns.
7. Kerzenschein
fördert verschiedenes, behindert anderes und kann sich als der Brandstiftung förderlich erweisen.
8. Sessel
noch nicht ausgewachsenes Sofa.
9. Bier
https://de.wikipedia.org/wiki/Bier
10. erste Reihe
in der Regel zwischen Bühne und zweiter Reihe befindlich. Bei Lesungen nur bedingt beliebt.
11. Groupies
einer der Gründe, weshalb ich manchmal lieber Musiker geworden wäre.
12. Fotografen / Kameramänner / -frauen
in der Regel sträflich unterbezahlte wie auch unterforderte Lichtbildproduzenten, von denen bedauerlicherweise die wenigsten im Zuge einer Auftragstätigkeit überhaupt ihr Potential ausschöpfen können / dürfen.
13. Papier
Nicht selten ebenso der Grund wie auch der Grund für das Schreiben.
14. Fledermaus
Grumpy Bat.
15. schwarz
angenehm unbunt.
16. Lampenfieber
Taschenlampenschüttelfrost.
17. Textauswahl
am besten im Vorfeld einer Lesung zu treffen. Kann auch danach geschehen. Wird aber irritieren.
18. Hitze
unmissverständlicher Vorbote des Fegefeuers.
19. Hangargruftis
grundsätzlich mehr als Hangarautoren, weshalb Zweitere es in der Regel auch vermeiden, sich mit Ersteren anzulegen.
20. Schlusswort
ein wohlklingendes von ausnehmend einprägsamer Bedeutsamkeit, das sowohl politisch als auch menschlich gedeutet werden kann und dem Leser so viel zum Nachdenken mit auf den Weg gibt, dass er nach zweimaligem Lesen zu einem besseren Menschen wird.
21. danach
unterscheidet sich maßgeblich bei Mord, Beischlaf, Schulstunde, Festival oder Zahnarztbesuch.
... und Markus Heitz:
Tatsächlich wird gelegentlich angenommen, dass ich schwarze Klamotten und Ringe zu Lesungen trage und ansonsten… ja, was eigentlich? Hawaiihemden mit Ananas und Flamingos? Pink-lilafarbene Overalls? Oder eben was man so trägt. Ich denke, außer Tom „Magnum“ Selleck sollte niemand Hawaiihemden tragen.
Nein, schwarz ist super. Da kann man spontan zu Hochzeiten und zu Bestattungen gehen und notfalls behaupten, man wäre europäischer Ninja in Ausbildung. Gut, ist unwahrscheinlich. Aber für einen Schornsteinfeger wurde ich tatsächlich mal gehalten. Oder man wollte mich anfassen, ich weiß es nicht.
Christian von Aster und ich sind ja so was wie ein altes M’era Luna-Lesepaar. Da gibt es auch keine Eifersucht, sondern ehrliche Freude für den Partner, wenn sich jemand für den anderen interessiert. Also, literarisch. Die Sache mit den Büchern eben. Auch wenn man lange im Geschäft ist, kann man jeden Tag neu entdeckt werden. Wow, das war… beinahe philosophisch.
Und die ZwischenleserInnen nehmen wir freundschaftlich in die Mitte, immer gespannt, was sie dann auf der Bühne abliefern. Im idyllischen Kerzenschein, begleitet mal von Ruhe, mal von Kichern und der ständigen Angst, in diesem inzwischen legendären Sessel zusammenzubrechen. Der ist übrigens auch schon seit vielen Jahren dabei, und ich glaube, vor mir fürchtet er sich am meisten. Er knarzt und wackelt, und man liest unwillkürlich schneller. Ich sitze vorne auf der Kante, weil ich dem Querrahmen noch am meisten zutraue.
Sollte er eines Tages zusammenbrechen, wird das spektakulär ausgeschlachtet. Wie damals, als der Sänger der Foo Fighters von der Bühne fiel und rief: „Oh, ich habe mir das Bein gebrochen.“ Gelächter. „Nein, wirklich. Ich habe mir das Bein gebrochen!“ Um dann nachher mit dem Gips auf der Bühne zu Ende zu rocken. Le gen där.
Das Bier gibt’s bei Lesungen erst danach. Ich trinke nie Alkohol während der Arbeit, weder beim Schreiben noch beim Redigieren noch bei Lesungen. Liegt wohl dran, dass ich ein kleiner Kontrollfreak bin. Vielleicht versuche ich es doch mal und flippe auf der Stage komplett aus. Wie ein Gitarrist, nur mit Buch: Auf einem Bein hüpfen, Seiten rausreißen und dabei vorlesen, die gleichen Sätze mit anderer Betonung wiederholen, das Buch auf den Boden werfen, mit der Zunge umblättern. Das wäre es doch mal! Und einer Fledermaus den Kopf… nee. Das nicht. Da hätten die Fotografenmenschen endlich auch mal neue Motive, und dann Stage-Diving in die erste Reihe! Wobei, puh, schwierig. Die Bühne ist ziemlich weit weg, glaube ich. Das schaffe ich nicht. Und wenn doch, wäre es reichlich mörderisch für alle. Ich habe meine LeserInnen ja gerne und will sie nicht umbringen. Physik eben. Habe sie zwar abgewählt, aber sie mich nicht. Deswegen kann das … aber ich schweife ab. Wo war ich? Ach ja, Fotografen und Motive. Well, well, selbst meine Frisur ist schon seit Jahren gleich. Das ist eine gute Idee: Ich ziehe mal eine Kappe an. Hell, yeah – Fashionalarm! Und neues Motiv. Wobei es lustig wäre, eine Fotoserie von meinem Stage-Diving-Versuch zu haben.
Von Groupies habe ich schon viel gehört, allerdings immer von Musikerinnen mancher Bands, mit denen man so am Festival abhängt. Backstagespaß der sexuellen Art ist jetzt nicht unbedingt meine Kategorie. Ich weiß, langweilig, ne? Aber wer sich schon mal über sexuell übertragbare Krankheiten kundig gemacht hat, der wird NIE wieder über den schnellen One-Night-Stand nachdenken. „Aber ich nutze immer ein Kondom. Da kann doch nix…“ Klar. Träumt weiter. Naaaaa, Festivalfun zerstört? Nein, lasst euch den raschen Spaß nicht nehmen und gebt ein bisschen acht. Oder lest mehr Bücher. Als Alternative. Christian und ich und unser Mittelleser haben zufälligerweise genug davon dabei. Das Papier ist absolut frei von bösen Keimen und derlei. Und schneidet man sich dran, kann man rasch eine Legende rund um den Cut stricken.
Die einzige Krankheit, die man so vor einer Lesung mit um die 2000 Menschen hat, ist wohl Lampenfieber. Wobei es bei mir eher eine Grundspannung ist. Angst, nein. Dafür ist das Publikum viel zu nett und freundlich. Die Hangargruftis hören zu, sind extrem aufmerksam und verdammt höflich. Beim ersten Mal, da hatte ich Schiss. Von im Schnitt 70 auf 2000 hoch, wow, DAS ist eine extreme Steigerung. Dazu noch in einem Hangar, mal bei brutaler Hitze, aber auch umrahmt vom Trommeln der Tropfen auf dem Blechdach. Es ist einmalig, es ist großartig, beim M’era lesen zu dürfen und ein riesiges Danke jedes Jahr fürs Erscheinen!
Die Textauswahl dieses Jahr beinhaltet eine ziemliche Überraschung. Die Texte werden knackig, aber mehr verrate ich nicht. Na, okay, doch: Ich habe vielleicht dieses Mal auch laute Lacher auf meiner Seite. Ha! HA! Wir werden sehen. Es wird antizyklisch!
Und nach der Lesung ist Festival angesagt. Das gehört dazu, und dafür sage ich schon anderen Anfragen mal ab, um das Wochenende auf dem Flughafen zu verbringen. Freiwillig. Das tun ja die wenigsten gerne, drei Tage am Airport abhängen. Ich schon. Und ich darf noch Interviews führen, Bands nerven und Legenden ausquetschen. Beste Arbeit der Welt. Wie mein Dasein als Autor. Wie immer eure Träume sind, da draußen, verliert sie nicht aus den Augen.
Und danach ist das Festival vorbei, freue ich mich auf das nächste Jahr. Sofern ich es erlebe. Memento mori, nicht wahr?
Und deswegen memento Dings, hier, na, sein Ding machen und kein Arschloch sein. Es wirklich angehen, welches Ziel es immer sei. Tag für Tag.
Uiuiui, jetzt wurde es doch wieder sehr gravitätisch. Das geht in Ordnung, denke ich.
Bis Freitag...