Von Darkiness
Jetzt ist doch alles wieder gut, oder? Wie geht es unseren Clubs? Lest dazu unser Interview mit den Machern hinter dem „Exil“, einer unserer Lieblingsclubs.
Göttingen. Kaum ein Gewerbe hat während der vergangenen Jahre so sehr gelitten wie die Veranstaltungsbranche. Nachdem eine Vielzahl von etablierten Clubs dem Clubsterben zum Opfer fielen, hat die Pandemie die noch Bestehenden auf eine harte Probe gestellt. Von dieser Krisenzeit scheinen sich die Clubs nur vereinzelt zu erholen. Die Rückkehr in die gewohnte Ausgehkultur scheint für die Gäste schwierig zu sein, Konzerte werden aufgrund mangelhaften Vorverkaufs abgesagt, etc. Nur wenige Clubs können diesen Herausforderungen standhalten.
Der Göttinger Musikclub Exil - siehe Location Check - hat diesen erbitterten Kampf durchgestanden und feiert in diesem Monat sein 20jähriges Bestehen. Wie es unserem Lieblingsclub in Göttingen geht und welche Neuerungen beziehungsweise Pläne die Betreiber haben, erzählen im Interview Bea Roth - ehemalige Inhaberin des Exil -, Karl Schrader - Kassenwart des Vereins „subculture is culture!“ [sic!] und ehemaliger Inhaber des Musikclubs Outpost - und Elise Gartmann - erste Vorsitzende des Vereins [sic!].
Los geht’s:
Gruftbote: Das Exil ist einer der wenigen Clubs in Südniedersachsen, der ein recht großes Publikum aus Niedersachsen und Nordhessen anzieht. Weshalb ist das so, welche Bedeutung hat das Exil?
Elise: Das Exil ist ein Veranstaltungsort für einen Teil der Subkultur, wie der Gothic-, Metal-, Rock- und Alternative-Szene, die sonst keinen Ort für Veranstaltungen haben. Gerade für diejenigen, die sich sonst auf den „Mainstream-Partys“ unwohl oder nicht willkommen fühlen, ist das Exil der Ort, wo sie sich heimisch fühlen. Das geht ganz vielen so, sogar mir. Für mich bedeutet es eine Art Zuhause.
Gruftbote: Das Exil feiert dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Wie kamst Du dazu, Inhaberin dieses Clubs zu werden?
Bea: Ich hatte damals schon in der legendären Outpost, dem Vorgänger-Club, gearbeitet. Dann zog die Outpost mit neuem Namen „EXIL“ in die Innenstadt um. Betrieben hat es damals ein ehemaliges Teammitglied zusammen mit Karl. Als das Teammitglied aufhörte, haben mein damaliger Freund und ich beschlossen, das Exil zu übernehmen.
Gruftbote: Die Pandemie-Zeit war eine harte Zeit für das Veranstaltungs-Gewerbe. Viele Clubs haben dieser Herausforderung nicht standhalten können und mussten schließen. Wie hat das Exil die Krisenzeit durchgestanden?
Bea: In erster Linie durch unsere unglaublichen Gäste. Es war so, dass wir am 13. März 2020 den letzten Öffnungstag hatten. Bereits am 14. März 2020 bekam ich die erste E-Mail, in der stand: ,Schickt die Kontonummer, wir wollen Geld überweisen!‘
Danach hat eine Stammgästin, die schon lange nicht mehr in Göttingen ist, über „Leetchi“ ein Crowdfunding angeleiert.
Aber gerade auch die dunkle Szene hat uns in der Pandemie-Zeit unfassbar unterstützt, und ohne diese Unterstützung hätten wir es trotz Corona-Hilfen tatsächlich nicht geschafft.
Gruftbote: Wie geht es dem Club jetzt?
Karl: Eigentlich ganz gut. Die düstersten Szenarien, dass es aufgrund des sehr zurückhaltenden Verhaltens der Leute nicht mehr losgeht, sind in der Größenordnung nicht eingetreten. Die Leute haben schon Lust rauszugehen und fühlen sich dort am wohlsten, wo sie immer noch das Gefühl haben, dass vieles richtig gemacht wird. Jedenfalls war es am Anfang so, als die Einschränkungen im Sommer letzten Jahres langsam zurückgefahren wurden. Es hat etwa drei Monate gedauert, bis die Leute wieder das Vertrauen gefasst haben rauszugehen.
Gruftbote: Jedoch gibt es hinter den Kulissen eine große Veränderung. Seit dem 1. Januar 2023 wird das Exil vom Verein „subculture is culture!“ [sic!] geführt. Wie kam es zu dem Wechsel? Welche Gründe gab es dafür? Hat der Wechsel mit der Pandemie zu tun?
Karl: Der Wechsel hat nichts mit der Pandemie zu tun. Die Gründungsidee des Vereins entstand im Herbst 2019. Eingetragen wurde dieser erst später, im Februar 2020. Die Idee kam auf, weil Bea der administrative Aufwand zu viel geworden war. Es gibt sehr vieles in Göttingen, was auf Vereinsebene läuft. Dann haben wir uns zusammengesetzt und fanden die Idee, das Exil auf solche Weise zu führen, ganz gut.
Zudem hat es auch finanziell einige Vorteile. Unter Führung eines Vereins entfällt die Vergnügungssteuer, und auch andere steuerliche Abgaben sind vergünstigt, da man Veranstaltungen als kulturelle Ereignisse versteuern kann.
Es hat aber ein wenig gedauert, bis wir die geeigneten Leute mit entsprechenden Kenntnissen im Vereinsrecht gefunden haben.
Bea: Der Grund dafür war tatsächlich der, dass in diesem Land dem Einzelunternehmer die wirtschaftliche Führung eines Betriebs durch hohe Auflagen und unheimlich viel Bürokratie fast unmöglich gemacht wird. Für die Gema zum Beispiel bräuchte man ein eigenes Sekretariat, und im Prinzip arbeitet man auch sonst den ganzen Tag für irgendeinen bürokratischen Aufwand, wie für das Finanzamt und generell unzählige Auflagen, mit denen die Gastronomie tagtäglich konfrontiert wird. Es gibt eine endlose Liste an Aufgaben, die man als Clubbesitzerin zu erledigen hat, bevor man dazu kommt, seine eigentliche Arbeit zu machen. Das war für mich und Karl, aber besonders für mich, nicht mehr zu ertragen.
Dazu kam, dass im privatwirtschaftlichen Bereich, dass nur die 40 bis 60 Konzerte, nicht aber x weitere Veranstaltungen, also etwa 200 im Jahr, als kulturelle oder subkulturelle Veranstaltungen verbucht wurden. Ich finde, dass jede Veranstaltung, die sich nicht am Mainstream orientiert, eine kulturelle Veranstaltung ist!
Elise: Wäre die Idee damals nicht entstanden, wäre sie bestimmt in der Pandemie entstanden. Es war wirklich eine harte Zeit. Dank der Förderung des Vereins konnten wir dann zum Beispiel zu Beginn der Pandemie die Veranstaltung als Hybridform mit Stream anbieten. Allein mit den Spenden der Gäste hätten wir das gar nicht stemmen können.
Gruftbote: Hat sich dadurch das Konzept geändert? Haben sich die Preise geändert?
Karl: Das Konzept hat sich grundsätzlich nicht geändert, aber es hat sich verfeinert. Insgesamt ist das Angebot größer geworden. Dadurch nehmen natürlich noch mehr Menschen daran teil, die unterschiedliche Aspekte mit einbringen. Es wird sich hoffentlich immer ein bisschen verändern, weil ohne Veränderung ist Stillstand. Man ist ja bemüht, das Portfolio ab und zu um etwas zu erweitern, was wir noch nicht hatten, wie zum Beispiel neue Programmabende.
An den Eintrittspreisen haben wir nichts geändert. Natürlich mussten wir die Getränkepreise anpassen, das ist aber überall so.
Elise: Ich stimme Karl zu. Das Exil war schon immer ein alternativer Club und ist es auch immer noch. Wir haben aber das Spektrum erweitern können. Ich selber bin queer und bin nicht nur im Verein, sondern auch im Vorstand. Daher habe ich mir sehr viel Mühe gegeben, eine queere Veranstaltung hier reinzuholen - was ich auch gemacht hätte, wäre es kein Verein gewesen. Aber durch meine Position im Vorstand bin ich stärker angebunden und konnte mich dadurch besser einbringen. Wie Karl sagte, wird es sich immer weiterentwickeln. Je mehr Menschen mitwirken, desto breiter werden wir aufgestellt sein. Aber wir wollen auch so in der Sparte bleiben, wo wir sind.
Gruftbote: Bea, was machst Du jetzt, wenn Du keine Inhaberin mehr bist?
Bea: Katzenvideos auf Instagram schauen (lach). Nein, ich mache dieselbe Arbeit wie vorher auch, also zum Beispiel die Pressearbeit, die Promo beispielsweise bei Instagram - ohne Katzenvideos - und die Webseite betreuen. Die Personalführung läuft auch weiterhin über mich, das kann ich ganz gut.
Gruftbote: Wo seht ihr das Exil in zehn Jahren?
Karl: Vorausgesetzt, ich werde noch weitere zehn Jahre älter, wünsche ich mir, dass das Exil in seiner Kontinuität so erhalten bleiben kann. Das finde ich sehr wichtig, dass wir weiterhin am Ball bleiben und weiterhin arbeiten können und dürfen.
Elise: Hoffentlich sind wir in zehn Jahren immer noch in dieser Location. Sie ist wirklich toll und für das, was wir machen, hervorragend geeignet.
Vonseiten des Teams möchte ich noch dazu sagen, dass uns auch Leute des Thekenteams schon seit mehr als zehn Jahren erhalten bleiben. Es sollen nicht nur Leute mit 20 Jahren hinter der Theke stehen, um ihr Studium zu finanzieren, sondern auch welche, die zusätzlich zu ihrem Vollzeit-Job noch Bock haben, hier mitzumachen, auch wenn man finanziell nicht darauf angewiesen ist. Davon gibt es nämlich schon einige, ich bin eine davon. Manche aus dem Team haben hier eine Art Zuhause gefunden, und deswegen werden sie hier bleiben, auch wenn sie es nicht mehr nötig haben. Das wäre ziemlich cool, wenn das in zehn Jahren immer noch so wäre.
Bea: Ich fantasiere mal und denke dabei an unseren dreißigsten Geburtstag, wo wir immer noch hier in der Location sind, immer noch ein alternatives Spartenprogramm mit tollen, jungen Leuten und tollen, jungen Bands machen. Vor allem wünsche ich mir, dass uns eine Wertschätzung entgegen gebracht wird, die in den letzten 20 Jahren ganz oft zu wünschen übrig gelassen hat. Und damit meine ich nicht unsere Stammgäste!
Gruftbote: Wir bedanken uns, dass ihr Rede und Antwort gestanden habt, und wünschen euch für die kommenden 20 Jahre alles Gute!
Der Gruftboten-Tipp: Wer jetzt Lust bekommen hat, im Exil mal richtig schön schwarz tanzen zu gehen, sollte diese Partys dafür ins Auge fassen. Könnte sein, dass die Gruftboten auch da sind. 🦇🖤🎶
24. März 2023 - Nacht der Schatten
Herrlich tief eintauchen in die guten, alten, allerdings bunten 80er kann der geneigte und farbechte Grufti im Exil auch, und zwar hier:
18. Februar 2023 - Best 80s Party
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